Terrorismus betrifft unser Land nicht. Atomkraft dient ausschließlich dem Frieden. Das Klima erholt sich von selbst. Die Ausländer gehen bald wieder heim. Die Müllberge fressen hungrige Einzeller gänzlich auf.
Sie haben auch noch nie einen Schnupfen gehabt. Auch ihre Haare wachsen wieder nach. Und ihr Bauch verschwindet gemeinsam mit den Falten bestimmt nach einem ausgedehnten Spaziergang. Beruflich sind sie pragmatisiert, ihre Beziehung ist unverwüstlich,
und Sie werden bestimmt ewig leben.
Deshalb sollen sie sich dieses Programm auch nicht anschauen. Denn sie wüssten gar nicht, wovon Nowak da spricht.
Doch beim Allergeringsten Zweifel…. sollten Sie vorbeikommen
ANGST .. denn man stirbt nicht nur einmal.
Die Angst vor der Angst: Reinhard Nowak
Der ewige Loser unter den ehemaligen Schlabarett-Mitgliedern brilliert mit neuem Programm im Orpheum
Wien – Dem Nervenzusammenbruch nahe scheint Reinhard Nowak, untersetzt und hyperventilierend, eigentlich immer. Die Angst, auf der Bühne zu versagen, ist daher nicht ohne Grund Ausgangspunkt und Titel seines neuen, am Dienstag im Orpheum präsentierten Programms. Das Lampenfieber mit vier Metaxa scheinkuriert zu haben erweist sich daher auch als der falsche Weg:
Nowak, der ewige Loser unter den ehemaligen Schlabarett-Mitgliedern, verliert zwischendurch den Faden, bringt den Ablauf völlig durcheinander, verneigt sich schon vor der Pause zum Schlussapplaus – und rastet ob all der Widrigkeiten völlig aus. Dass er das Publikum beflegelt hat, tut ihm natürlich sofort bitter leid. Denn er habe gegen die Regel Nummer eins des Kabaretts verstoßen. Und wenn: dann darf man nur auf einzelne losgehen. Auf die, die eh keiner mag.
Nicht gemocht zu werden: Diese Angst habe aber jeder Zweite, behauptet Nowak. Und so seziert er in der Folge äußerst variantenreich wie vielschichtig (samt pointierter Kritik am Geschäft mit der Angst und dem Schüren dieser vor Fremden) ein allgegenwärtiges Phänomen: “Außen trägt man Prada, innen Angst.”
Als exemplarisches Beispiel für so ziemlich alle Neurosen dient sein von Panikattacken und Alpträumen geplagtes, dennoch plausibles Bühnen-Ich: Er habe Angst, als 75-Jähriger draufzukommen, dass das Leben doch einen Sinn gehabt haben könnte, und wenn einer in der ersten Reihe den ganzen Abend nicht lache, dann “verfolgt dich das wie die CIA den Bin Laden”.
Grandios werden zudem erschreckend brillante Monologe von “echten Wienern” eingewoben, mit denen Nowak seinem Publikum den Spiegel vorhält. Mitunter ist “Angst” daher gar nicht witzig: Es macht vielmehr nachdenklich. Doch die stillen Passagen dienen Nowak in der Regie von Klaus Pieber nur zum Luftholen: für eine rasante Achterbahnfahrt.
(Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.11.2007)